Was versteht man unter Niedrigzinsen?
Weltweit legen die Zentralbanken das Zinsniveau fest. In Europa ist dafür die Europäische Zentralbank (EZB) zuständig. Sie bestimmt die sogenannten Leitzinsen, die die Banken als Richtwert für ihre Kredit- und Anlagezinsen nehmen. Lange Jahre lag der Haupt-Leitzins bei 0 %. Im Juli 2022 läutete die EZB die Zinswende ein und hob ihn bis auf 4,5 % an. Inzwischen liegt dieser Hauptrefinanzierungssatz nach einer erneuten Zinswende im Sommer 2024 bei 3,15 %. Der für Sparzinsen maßgebliche Einlagezins beträgt aktuell 3 %. Für all diejenigen, die beispielsweise ein Haus bauen oder kaufen, waren die niedrigen Zinsen bis 2022 eine gute Sache, denn Baufinanzierungen waren extrem günstig. Seitdem haben sie sich deutlich verteuert.
Gleichzeitig krabbelten die aktuellen Sparzinsen für Geldanlagen aus dem Keller. Anfang 2008 lag der durchschnittliche Zinssatz für eine Tagesgeld-Anlage von 5.000 € bei 3,82 %. In der Niedrigzinsphase bekamen Sparer für dieselbe Summe auf einem Tagesgeldkonto im Durchschnitt nur noch Minizinsen in Höhe von 0,17 %. Danach gab es wieder Tagesgeldzinsen um 4 %. Mit der erneuten Zinswende der EZB im Jahr 2024 sind die Zinsen in letzter Zeit gesunken. Auf Girokonten gibt es meistens keine Zinsen.
Wie soll ich mein Geld trotz Minizinsen anlegen?
Sparen und Anlegen ist bei Minizinsen wie bei hohen Zinsen sinnvoll. Wenn Sie sich möglichst hohe Zinsen sichern wollen, nutzen Sie unseren Tagesgeld Vergleich. Bevor Sie Ihr Geld auf die eine oder andere Weise anlegen, sollten Sie mindestens drei Monatsgehälter als Notgroschen auf einem Tagesgeldkonto parken. Wenn die Waschmaschine kaputt geht oder eine unerwartet hohe Nachzahlung für Strom oder Gas kommt, ist das Geld auf diesem Konto schnell verfügbar.
Wer darüber hinaus Geld übrig hat und es vermehren möchte, hat unterschiedliche Anlagemöglichkeiten zur Verfügung. Folgende Tipps können Ihnen helfen, Ihr Geld richtig anzulegen.
Wohneigentum: Mietrenditen trotzen den Minizinsen
Aufgrund der lange Zeit niedrigen Zinsen haben viele Menschen in Immobilien investiert. Entweder, um selbst darin zu wohnen, oder um das Haus oder die Wohnung zu vermieten. Einerseits kann eine Immobilie als Kapitalanlage eine sinnvolle Altersvorsorge sein. Auf der anderen Seite sind die Immobilienpreise in den letzten Jahren besonders in den Ballungsräumen stark gestiegen. Zurzeit steigen mit den Zinsen auch die Kosten für eine Baufinanzierung. Ob sich die Investition lohnt, hängt deshalb immer vom Einzelfall ab.
Von Aktien profitieren diejenigen, die warten können
Nur etwa 5 % des Vermögens der Deutschen stecken in Aktien. Viele schrecken traditionell davor zurück, denn sie fürchten sich vor Verlusten. Gerade in einer Niedrigzinsphase bieten Aktien aber die Chance auf eine attraktive Rendite. Entscheidend ist, dass Sie einen langen Atem mitbringen: Wer im April des Jahres 2000 beispielsweise einen Betrag von umgerechnet 10.000 € in die größten deutschen Standardaktien des Deutschen Aktienindexes (DAX) investierte, hat bis April 2023 stolze 10.471 € erwirtschaftet, seine Anlage also mehr als verdoppelt.
Natürlich ging es in dieser Zeit nicht immer nur bergauf: Durch die Dotcom-Blase, die 2000 platzte, durch die Finanzkrise im Jahr 2008 oder den Corona-Crash 2020 verloren die Aktien zwischendurch um 40 % bzw. 30 % an Wert. Wichtig ist, dass Sie solche Phasen einfach aussitzen und Ihre Aktien zu diesem Zeitpunkt auf keinen Fall verkaufen. Denn dann müssen Sie herbe Verluste hinnehmen. Bisher haben immer die Anleger profitiert, die einfach abgewartet haben: Denn der Aufschwung nach einer Krise war in den vergangenen Jahrzehnten bislang immer größer als jeder Aufschwung zuvor.
ETFs versprechen Renditen um 8 %
Wenn Sie Ihr Geld in den nächsten 15 Jahren nicht benötigen, können sie in sogenannte Exchange Traded Funds, kurz ETFs, investieren. ETFs bilden Indizes nach (z. B. den DAX oder den Weltaktienindex MSCI World). Wenn Sie in einen ETF investieren, erwirtschaften Sie die Marktrendite. Diese Rendite liegt – auch in Zeiten von Niedrigzinsen – im historischen Durschnitt bei ca. 8 %. Da es zwischendurch aber auch Verluste geben kann, sollten Sie auf das Geld nicht kurzfristig angewiesen sein. Der Vorteil an ETFs ist, dass die Kosten für die Verwaltung bei der Bank in der Regel niedrig sind.
Crowdinvesting: hohe Gewinne bei hohem Risiko
Beim Crowdinvesting bzw. Crowdfunding investieren viele Menschen (Privatpersonen, Investoren) über eine Internetplattform eher geringe Beträge in Unternehmen – häufig in Start-Ups – oder in Immobilien. Bei dem Investment handelt es sich meist um eine stille Beteiligung oder um Genussrechte. Bei Genussrechten handelt es sich um Wertpapiere, die dem Inhaber eine jährliche Ausschüttung aus dem Bilanzgewinn des Unternehmens zusichern. Ein Stimmrecht haben Inhaber von Genussrechten nicht. Investoren erhoffen sich durch Crowdinvesting hohe Gewinne. Das Risiko ist allerdings ebenfalls hoch: Wenn das Unternehmen nicht erfolgreich ist oder sogar pleitegeht, geht auch der Investor leer aus und bekommt sein Geld in der Regel nicht zurück.
Wenn Sie mit Crowdinvesting in Immobilien investieren möchten, finden Sie entsprechende Angebote in unserem Crowdinvesting Vergleich.
Woher kam die Niedrigzinsphase?
Die Niedrigzinsphase fing nach der Finanzkrise im Jahr 2008 an. Damals senkte die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins bis auf null, um vor allem den Krisenstaaten in Südeuropa zu helfen. Unternehmen und Privatleute kamen durch günstige Kredite leichter an Geld. Sie gaben mehr aus und das half wiederum der Wirtschaft, in Schwung zu kommen.
Für viele Deutsche, die ihr Erspartes auf dem Konto horten, brachten niedrige Zinsen aber herbe Verluste mit sich. Viele fragen sich, ob sich Sparen überhaupt noch lohnt. Die Inflationsrate stieg mit dem Krieg in der Ukraine zum Teil rapide an. Sie bildet die jährliche Entwicklung des deutschen Verbraucherpreisindexes ab, der Auskunft über die Kosten für den Lebensunterhalt gibt. Wird der Lebensunterhalt teurer, wird auch das Geld auf Girokonten, Festgeldkonten und Tagesgeldkonten weniger wert. Denn für ein- und dieselbe Summe können Sie sich immer weniger kaufen. Experten sagen, dass deutsche Sparer zusammengenommen durch niedrige Zinsen Verluste in Millionenhöhe gemacht haben.
Wie lange bleiben die Niedrigzinsen noch?
Es gibt unterschiedliche Meinungen. Was den Leitzins der EZB betrifft, so haben die Währungshüter in den Jahren 2022 und 2023 den Leitzins auf 4,5 % angehoben. Die EZB begründete die Maßnahme u.a. mit der hohen Inflationsrate im Euroraum. Inzwischen senkten die Währungshüter den Leitzins wieder auf 3,15 %. Der Einlagenzins, an dem sich Banken für Tages- und Festgeldzinsen orientieren, steht bei 3 %. Über eine Prognose zu den Sparzinsen lesen Sie mehr in unserem Artikel zu den aktuellen Zinsen.
Das Institut der deutschen Wirtschaft rechnet damit, dass uns Minizinsen noch bis 2050 erhalten bleiben. Ein Ende der Niedrigzinsen wäre demnach nicht in Sicht. Neben der Zinspolitik der EZB machen die Wissenschaftler den demographischen Wandel und unsere steigende Lebenserwartung dafür verantwortlich: Ein Mann, der im Jahr 1990 geboren wurde, wird im Schnitt 72,6 Jahre alt – eine Frau 79 Jahre. Für Männer, die 2020 geboren werden, wird dagegen schon eine durchschnittliche Lebenserwartung von 79,2 Jahren prognostiziert, bei Frauen rechnen die Wissenschaftler mit 84,1 Jahren.
Viele Menschen bereiten sich auf dieses längere Leben vor, indem sie mehr Geld ansparen als die Generationen vor ihnen. Dadurch ist mehr Liquidität am Markt vorhanden und das drückt wiederum die Zinsen. Da sich am demographischen Trend in absehbarer Zeit nichts ändern wird, gehen die Wissenschaftler des Instituts der Deutschen Wirtschaft davon aus, dass auch die Zinsen vorerst nicht nennenswert steigen und den Niedrigzinsen ein Ende bereiten.